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Lesen - Teil 12
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Efyriel (37 Posts bisher) |
Alan stocherte lustlos in seinem Essen und versuchte dabei den sorgenvollen Blick seiner Mutter zu ignorieren. Natürlich hatte sie gemerkt, dass etwas nicht stimmte. Obwohl das gar nicht zu ihm passte, hatte er zwei Go-Termine platzen lassen. Stattdessen saß er in letzter Zeit häufig am Fenster und starrte nach draußen, als würde er dort etwas suchen, was er nicht finden konnte. Vielleicht würde er es auf diesem Weg auch gar nie finden können. Sie wusste nicht, was passiert war, denn er hatte nicht mit ihr darüber gesprochen. Doch sie vertraute darauf, dass er es tun würde, wenn er dazu bereit war. Alan stand auf und er spürte wie ihre Augen seinen Bewegungen folgten. Dennoch sagte seine Mutter nichts, als er wortlos den Raum verließ. Sie war so verständnisvoll, mit was hatte er solche Eltern nur verdient? Er griff sich seine Jacke, die neben der Tür hing und streifte sie sich über, als er die Tür öffnete. Hatte er einen Fehler begangen? Welche seiner Entscheidungen war falsch gewesen? Hatte Manfred recht, wollte er zu viel? War er überheblich und unaufmerksam? Es war Wochenende und vermutlich fand heute irgendwo ein Go-Turnier statt, doch es war ihm gleichgültig. Das erste Mal seit nahezu zwei Jahren war es ihm egal was in der Welt des Go vor sich ging. Hatte Manfred das geahnt? Alan kickte einen Zweig vom feuchten Weg, sah aber nicht wo er landete. Etwas brodelte in ihm und hinderte ihn daran sich auf das Spielbrett zu konzentrieren. Immer wenn er es tat, konnte er dieses Bild in seinem Kopf sehen. War das dieser Junge, Leen, der ihm da entgegen sah? Doch das Bild war verschwommen und unscharf, als wäre er es gar nicht selbst gewesen, der in den letzten Wochen bei Manfred gewesen war. Das Krächzen einer Krähe riss ihn aus seinen Grübeleien und er sah zu, wie sie aufflog und zwischen den Häusern verschwand. Schwarz sein, frei sein und fliegen. Seufzend senkte er den Kopf und sah zu, wie seine eigenen Füße durch das abgefallene Laub der Bäume am Straßenrand pflügten. Herbst, eigentlich eine Jahreszeit die er mochte, doch im Moment war sie ihm egal. Seine Schritte trugen ihn, ohne das er es bemerkt hätte den bekannten Weg entlang. Zuerst links über die Kreuzung, dann die Straße entlang bis zur Bushaltestelle, die nächste Abzweigung rechts und dann… Er stockte und blickte auf das Schild von Manfreds Café. Manfred selbst blickte ihm durch eines der Fenster entgegen. Er hatte gerade einem Kunden Kaffee und Kuchen an den Tisch gebracht, als er Alan bemerkt hatte. Dort stand er, auf der anderen Straßenseite und rührte sich nicht, sah einfach nur herüber. Er hatte Alan seit einer Woche nicht gesehen und fragte sich, was im Kopf des Jungen vor sich ging. „…Manfred…?“ Verwirrt sah er sich nach der Sprecherin um. Es war Kristin, vom Laden nebenan, die ihm nun entgegen lächelte. Sie war eigentlich immer fröhlich, selbst wenn es mit den Geschäften nicht so gut lief. Kristin wartete, während Manfreds Blick noch einmal zur anderen Straßenseite hinüber huschte, wo eben noch Alan gestanden hatte. Ob er die nächste Woche wieder her kommen würde? Dann wandte er sich Kristin zu. „Was ist los mit dir, du siehst aus, als hättest du Sehnsucht nach etwas.“ Sie hatte ja recht, er hatte Sehnsucht. Andererseits genoss er auch die Ruhe, die ihm sein gewähltes Leben gestattete. „Ich musste nur an die Vergangenheit denken. An Damals…“ Kristin wusste was er meinte, er hatte sich schon häufiger mit ihr darüber unterhalten. Darüber, dass es manchmal besser war sich im richtigen Moment für etwas anderes zu entscheiden. Manfred musste lächeln: „Aber darum bist du sicher nicht extra herüber gekommen, oder?“ Nein das war sie nicht und darum machte er ihr auch zwei Becher Kaffee fertig. Ihr Lächeln tat ihm gut, machte er sich im Moment doch viel zu viele Sorgen. „Du bist ein freundlicher Mensch Manfred,“ sagte sie zum Abschied und verwundert sah er ihr nach. Hatte sie recht? Fortsetzung folgt… |
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