„Kennst du auch dieses Gefühl? Dieses Gefühl der Verzweiflung, weil man dauernd glaubt etwas falsch zu machen?“
Celia sah den jungen Mann an, der auf der anderen Seite des Go-Brettes saß und diese Worte sprach. Sie hatte sich mit ihm getroffen, weil sie es irgendwie doch nicht lassen konnte. Seine schwarzen Haare standen in alle Richtungen von seinem Kopf ab. Es sah sogar so aus, als würde er für diese Frisur jeden Morgen eine längere Zeitspanne aufwenden. Sie schmunzelte und nickte.
Sie kannte dieses Gefühl sehr gut. Viel zu gut, wenn sie so darüber nachdachte.
Als Aiden, wie er hieß, sie nun breit angrinste, konnte sie gar nicht anders als zurück zu grinsen.
Mit einem wunderschön anzuhörenden ~Klack~ landete sein Spielstein auf dem Brett. Gegen ihn zu spielen war irgendwie ganz anders, als gegen Alan.
Obwohl er auch ständig gewann, kam es ihr nicht so vor, als würde sie mit jedem Zug einen Fehler begehen. Außerdem schien er sie auf eine geheimnisvolle Art und Weise zu verstehen. Eigenartig, er sah eigentlich nicht wie eine Person aus, mit der sie sich ohne das Go-Brett unterhalten hätte. Eher wie ein Mann, dem sie in der Bahn oder auf der Straße ausgewichen wäre. Sie wusste immer nicht so recht, was sie von solchen Leuten halten sollte, die sich ganz in schwarz zeigten. Doch jetzt, da sie Aiden kannte, war sie sich nicht mehr so sicher, dass sie alle unheimlich waren. Aiden jedenfalls war das ganz und gar nicht. Sie hatte sich noch nicht getraut ihn danach zu fragen, warum er nur schwarze Kleidung trug. Klar, es machte die Auswahl einfach, aber die Welt war doch so schön bunt!
„Du bist dran,“ meinte er und lehnte sich im Stuhl zurück, während er die Hände hinterm Kopf verschränkte. So etwas wie Schüchternheit und Zurückhaltung gegenüber anderen Menschen schien er gar nicht zu kennen. Ganz anders als Celia, die sich immer zu allem überreden musste. Folglich war es auch Aiden gewesen, der sie angesprochen hatte, als sie ihm und einem Freund bei einer Partie zugesehen hatte. Sie bereute es jedoch nicht zugegeben zu haben, dass sie schon etwas spielen konnte.
„Hey, hast du dir das mit dem Turnier in zwei Monaten schon überlegt?“ wollte er nun wissen, als sie einen Stein nahm und auf dem Brett platzierte.
„Ich weiß nicht…“ entgegnete Celia leise und starrte unbehaglich auf das Brett.
„Du hast ja noch Zeit es dir zu überlegen,“ grinste Aiden und setzte dann seinen nächsten Stein auf das Brett.
Er hatte ihr ein Faltblatt mitgebracht, auf welchem alle Informationen zu diesem Go-Turnier standen. Aber Celia war sich unsicher, ob sie so etwas schaffen würde. So viele Menschen…
„Es würde dir sicher Spaß machen, du könntest dort viele Spieler kennen lernen, sicher auch einige, die gleich weit sind wie du selbst.“
Sie sah ihn nicht an, doch sie konnte sein munteres Lachen hören. Nicht leise und überheblich, sondern aufmunternd.
„Du musst ja nicht mitkommen, wenn du nicht willst.“
„Ich überlege es mir.“ erklärte Celia bestimmt und hieb ihren nächsten Stein nahezu auf das Brett.
„Oha, immer mit der Ruhe.“
Obwohl es sie fast schon zornig machte, schaffte sie es einfach nicht auf Aidens Lächeln hin richtig böse auf ihn zu werden.
„Vielleicht, wäre es wirklich eine gute Idee,“ lächelte sie ihrem Gegenüber zu.
„Vielleicht. Aber du solltest deine Gefühle nicht gar so stark aufs Brett bringen.“
Bei diesen Worten deutete Aiden grinsend auf das Brett.
Celia stockte fast der Atem, als sie ihren letzten Zug betrachtete. Oh, ja, daraus sprach ihr aufkeimender Zorn ziemlich deutlich. Sie spürte wie ihre Wangen heiß wurden und sie räusperte sich verlegen.
„Kein Problem, das kommt vor, versuch einfach damit umzugehen. Da ich jetzt zuerst hier antworten muss, hast du noch eine Chance.“
Er führte seinen Zug aus und sie spielten die Partie zu Ende.
„Morgen kommst du dann mit ins Kino?“ fragte Aiden und lächelte Celia an, wie er es so oft tat. Nickend entgegnete sie das Lächeln und freute sich schon auf den nächsten Abend.



Fortsetzung folgt…