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Lesen - Teil 17 (von Falkenfreund)
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Efyriel (37 Posts bisher) |
Manfred wusste nichts so ganz mit sich anzufangen. Er war ein wenig verloren hier allein in seinem Café, das beunruhigte ihn, sodass er die Deckel der Steindosen langsam wieder abnahm und langsam anfing Josekis auszulegen. Er wollte nicht, wie er es manchmal zu tun pflegte, seine Gedächtnisleistung trainieren, sodass er keine allzu komplizierten Joseki sich vornahm. Damit war beschlossen, dass der erste Stein auf den Sternpunkt landete. Den 4-4 Punkt, den Hoshi, eben der Sternpunkt, schnell und einfach und allzu dynamisch. Mit ihm wurde die Partie nicht selten schnell, da sich allzu gerne große Einflusssphären aufbauten und so den Gegner herausforderten. Die häufigsten Fragen waren: „Wie lange kann ich meinen Gegner gewähren lassen, ohne dass es zu groß wird, was er baut, wann muss ich ihn reduzieren oder invadieren? Und wenn ich das schon muss, wie soll ich dabei vorgehen?“ Es war nicht allzu lange her, da hatte dieser Zug noch kein so großes Ansehen unter den stärksten professionellen Spielern genossen, aber dann kamen zwei der genialsten Köpfe des letzten Jahrhunderts, selbst wenn es jemand im Allgemeinen leugnen wollen würde, so könnte er es doch nicht in Bezug auf Go leugnen. Dies waren Kitani Minoru und Go Seigen, wobei Kitani leider viel zu früh gestorben war und auch Go noch vom Schicksal vor manch Prüfung gestellt wurde und er auch viele Erfahrungen auf seinem Weg machen durfte und erst vor kurzem im hohen Alter verstorben war. Seine Lebensgeschichte war erstaunlich und auch noch heute ist es für viele junge Spieler sehr gehaltvoll die Partien dieser beiden großen Go-Spieler nachzulegen, um daraus zu lernen. Manfred riss sich mit einem Seufzer aus diesen Gedanken. Er erinnerte sich daran, wie er selbst mit anderen vor dem Brett gesessen hatte und die Partien analysierte, ach ja das waren längst vergangene Zeiten. Dem schwarzen Hoshistein näherte sich nun im Keimaabstand ein weißer Stein an, der sofort daraufhin in tiefem Einpunkteabstand gepincert wurde, worauf sich Weiß entschied auf die Ecke auszuweichen, das normale Joseki lief dann so vor sich hin, wobei der Steinfluss ganz natürlich schien, niemand war unzufrieden danach, solange die Initialsteine sinnvoll gewählt waren. Als die Sequenz zu einem Ende kam, lehnte sich Manfred ein wenig zurück und betrachtete die Endstellung, dabei rief er sich ein paar Möglichkeiten in Erinnerung, wie es nun weitergehen konnte. Danach räumte er alle Steine wieder ab und begann von Neuem, Hoshistein, Annäherung, diesmal ein anderer Pincer und dieselbe Sequenz, nur dass Schwarz jetzt am Ende noch mal absichern musste oder in Kauf nehmen musste, dass seine Stellung eher unsicher war und man sich fast wünschte doch den Sicherungsstein gespielt zu haben, andererseits war dafür die eigene Einflusssphäre weiter abgesteckt. Es hatte wie immer alles seine Vor- und Nachteile. Go war eigentlich ein sehr lehrreiches und schönes Spiel. Es war fast wie ein Tanz, beide Parteien sprangen, tänzelten aneinander vorbei aufeinander zu, konfrontierten auch mal einander, nur um dann in der Harmonie des Spielflusses sich wieder zu beruhigen … oder aufzugeben, dann war aber etwas gründlich schief gelaufen. Müde räumte Manfred die Steine ein, es genügte ihm schon, obwohl er ansonsten sehr gerne mehr Positionen auslegte, war er heute nicht mehr gewillt, solches zu tun. Er war einfach müde und wollte schlafen nichts weiter, der Tag hatte heute zu viele Erinnerungen wachgerüttelt. Es waren keine unangenehmen Erinnerungen wohl, aber doch etwas aufwühlende und sie gedachten oft seine innere Ruhe zu stören und dies wollte er nicht zulassen, denn bisher war nur Schlechtes daraus entstanden, wenn er diese verlor, aber zum Glück hatte es seit längerer Zeit gelernt solches zu vermeiden, daher blickte er eigentlich sehr entspannt dem Abend entgegen. Er räumte noch das Material zusammen, ehe er sein Café verließ und alles verschloss. Dann ging er mit einem Liedlein auf den Lippen in Richtung seines Zuhauses. Zusammengefasst war es wohl ein recht guter und erfolgreicher Tag. |
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