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Lesen - Teil 19 (von Falkenfreund)

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Efyriel
(37 Posts bisher)
23.07.2019 09:17 (UTC)[zitieren]
Manfred war es eine helle Freude, als er an einem Nachmittag Alan vorbeistürmen sah. Er hatte ihn jetzt länger nicht mehr gesehen und hatte schon befürchtet, dass er gar nicht mehr kommen würde. Das wäre sehr schade gewesen, meinte er doch einen gewissen Funken in Alan zu erkennen. Dieser Funke, der ihn mal zu einem großen Dan-Spieler machen konnte, wenn er sich nur ein wenig zu zügeln lernte, deswegen ließ er es am heutigen Tage nicht bei der nur höflichen Begrüßung sein, sondern beobachtete Alan aktiv. Er schien sehr aufgeheizt zu sein, dieses Gefühl kannte er nur zu gut. Wenn das Go einen beseelte, jede Faser des Körpers zu durchdringen schien und man es gar nicht mehr aus seinem Leben wegdenken konnte. Dann war es nur ein kleiner Schritt bis zu einer gewissen Abhängigkeit davon, man wollte zu den unpassendsten Zeiten unbedingt eine Partie spielen, konnte in und vor dem Schlaf nur an verschiedene Spielsequenzen denken und manche wachten sogar nachts auf, weil sie eine Aufgabe nicht im Kopf lösen konnten und sie daher unbedingt auf dem Brett lösen mussten. Sie kamen erst wieder zu ihrer unsicheren Ruhe, wenn sie die Aufgabe gelöst hatten, aber es blieb die Gefahr, dass ein anderes schweres Problem von ihrem Geiste Besitz ergriff. In einer gewissen Weise war es, als wäre man von diesem Spiel verzaubert worden, was eigentlich dann schon wieder ein ganz aufheiternder Gedanke war, auch wenn die Auswirkungen teilweise nicht so lustig waren. Dann half es nur von dem Spiel ein paar Tage Abstand zu nehmen, keinen Stein anzurühren und auch bei keiner Partie als Zuschauer dabei zu sein. Dabei staute sich zwar eine gewisse Unruhe auf, aber wenn man diese mutig aushielt, wurde der Schlaf ruhiger, genauso wie der Geist, Go war nicht mehr allgegenwärtig. Nicht selten stellten Spieler fest, die dann wieder ihrer Leidenschaft ohne Gefahr frönen konnten, dass sich ihr Spielstil wesentlich verändert hatte, praktisch hatte man durch nichts tun erfahren, wie man wirklich spielen wollte, welche Partien zu einem passten und was man wirklich wollte. Diese Weisheit, die man aus dem Go-Spiel ziehen konnte, konnte auch im Leben ganz nützlich sein, hatte Manfred schon vor längerer Zeit festgestellt. Denn nicht selten kamen Situationen auf, bei denen es erstmal am besten war nichts zu tun und auch nicht unbedingt fieberhaft gedanklich an der Situation herumzuwerkeln, sondern wirklich kompletten Abstand zu nehmen, wenn man dann nach einer gewissen Zeit sich wieder dem Problem annahm, fand man zuweilen erstaunliche und auch geniale Lösungen für dieses.

Manfred lächelte bei diesem Gedanken und als er Alan beobachtete, wie er voller neuen Schwung und scheinbarer Freude die Steine auf das Brett brachte, manchmal knallten sie noch wie früher, aber insgesamt war sein Spiel sanfter und das galt nicht nur für die Äußerlichkeiten, wie Manfred feststellte, als er ein wenig Alans Partie beobachtete. Es war nicht so, als wäre Alans Spiel auf einmal sehr ruhig und gebietsorientiert geworden, es war noch immer außerordentlich scharf und risikobereit veranlagt, doch übertrieb er es nicht mehr so stark, wie er es früher zu tun gepflegt hatte. Das bewahrte ihn aber nicht davor nach einer guten Stunde unterdrückt aufschreien zu müssen, als er feststellte, dass seine Gruppe gefangen worden war und damit auch die Partie verloren war. Aber zum zweiten Mal durfte sich darauf Manfred am heutigen Tage freuen, denn Alans einzige Reaktion war, höflich seine Niederlage mit einer Aufgabe zu quittieren und seinen Gegner um eine Revanche zu bitten, welcher diese ihm auch gewährte und schon war er wieder voller Elan dabei. Manfred wusste nur zu gut, was diesen neuen Elan in Alan entfacht hatte, war er doch Schuld daran wahrscheinlich. Aber da er dies mit voller Absicht vorgehabt hatte und sah wie sehr Alan am Brett aufblühte, schämte er sich kein bisschen. Mit einem Lächeln machte er sich weiter an die Arbeit in seinem Café, immerhin hatte er noch mehr Gäste außer Alan.



Fortsetzung folgt…



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