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Lesen - Teil 7 (von Falkenfreund)
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Efyriel (37 Posts bisher) |
Hätte Manfred zu diesem Zeitpunkt jemand gefragt, wer die Partie gewinnen würde, er hätte geantwortet es sei noch zu früh dies zu entscheiden. Dennoch, es schien als habe Leen schon jetzt einen deutlichen Vorteil gegenüber seinem Mitstreiter. Keineswegs auf dem Brett, jedenfalls nicht so deutlich, aber doch in der Einstellung zur Partie und das war einfach sehr wertvoll. ~klack~ ~klack~ ~klack~ Die Sequenz verlief wie erwartet, doch dann zog Alan zurück, worauf Leen dem unerbittlich nachging, so ließ er allerdings einen Schnitt zu und dieser kam in einer sehr starken Position zu liegen, der eine schwarze Stein erschien jetzt sehr einsam und verlassen. Ein einzelner Kraftakt, der nun auf einmal umzingelt war. Denn darum ging es, um das Umzingeln, so hieß ja auch das Spiel, welchem hier die Ehre erwiesen wurde. Das Spiel des Umzingelns und dieser letzte Zug hatte den schwarzen Stein stark gepackt. Leen ließ sich allerdings kaum Zeit die missliche Lage seines Steines zu bedenken. Er ging weiter voran, ohne auch nur einen Moment inne zu halten. Als Manfred das sah konnte er nur mit dem Kopf schütteln. „Keiner von Beiden scheint sich im Klaren zu sein, dass es im Go selten Felsen gibt. Viel öfter ist das Wasser da, mal ebbt es heran, dann scheint es wieder weit weg zu sein, einst schlägt es hart gegen einen und dann ist es wieder sehr weich. Es ist halt fließend, so wie eine gute Go-Partie.“ Alan schien sehr erstaunt über den Zug zu sein, denn er war auf seine Weise auch erstaunlich. Dann konnte man beobachten, wie Alan, der zuvor in seinem Stuhl griesgrämig zusammengesunken war, sich aufrichtete, seine Schultern etwas kreisen ließ und sich die Stellung auf dem Brett genau ansah. Hastig nahm er einen Stein und ~klack~ Lag die Antwort auf dem Brett, überaus kraftvoll und einleuchtend. Leen der seinen nächsten Stein schon in der Hand gehalten hatte, ließ ihn wieder in seine Steindose fallen und nun war es an ihm auf seinen Stuhl zurückzusinken und mit erschüttertem Blick auf die Stellung zu schauen. ~klack~ ~klack~ Leen spielte mit Widerwillen, die nun unausweichliche Sequenz und nahm wenigstens das Faktum mit, dass er entscheiden durfte, wohin als nächstes sich der Kampf verlagern würde und doch … Der Tanz war nun völlig aus dem Takt gekommen, das Eine, was ursprünglich ein Fehltritt war, sah nun wundervoll aus und die normale Antwort war korrumpiert worden. Ein wirklich grotesker Tanz, wenn man es sich näher ansah. Manfred stand nur kopfschüttelnd hinter seinem Tresen, wo ihn keiner der Spieler beobachten konnte und machte die Bestellung für die Gäste fertig. Er konnte fast schon hören, wie Leen nach Luft rang, nach Luft um wieder die Fassung zu gewinnen und sich nicht völlig in einen Schockzustand fallen zu lassen. Fast schon zäh langsam, nahm er vorsichtig wieder einen Stein. ~klack~ Er legte ihn auf den Invasionspunkt der letzten unausgespielten Ecke und sicherte sich diese so. Aber auch dies war wieder ein sehr kräftiges, fast schon verletzendes Vorgehen. Es herrschten nicht wirklich die Umstände für diese Invasion, aber sie hatte einen Vorteil, sie war klar und eine ziemliche Einbahnstraße. Beide Spieler konnten in der Sequenz, die nun mit einem ~klack~ ~klack~ ~klack~ aufs Brett kam, Kraft sammeln und einfach nur einen Moment ausruhen. Es schien, dass der Sturm kurz verstummt sei, der zuvor noch elendig laut getobt und alles auf dem Brett in Bewegung gehalten hatte. Mit einer sanften Lebendigkeit schienen die Tänzer sich voreinander zu verbeugen, in diesem Moment der Ruhe, bereit für den zweiten Akt. Bereit alles wieder zu geben, war jeglicher zuvor erspielter psychologischer Vorteil dahin. Wo man sich jedoch befindet, wenn der Sturm kurz verstummt, ist bekannt, das ist das Auge des Sturms und jeder weiß, dass es dort nicht lange ruhig bleibt. So war es auch auf dem Brett und als Alan die Sequenz nun mit Weiß 64 abschloss, hatten sie die andere Seite erreicht und die Tänzer – nun wieder mit Kraft und voller Konzentration bei der Sache – waren bereit, gefasst auf alles was da noch kommen mochte. An strategische Momente war nicht zu denken, dafür waren die Tänzer viel zu sehr von der Melodie gefangen, die sie sich selbst auferlegt hatten. Nun begannen sie wieder zu tanzen. ~klack~ So ging Schwarz 65 hernieder auf die weiße Position, keinen Zentimeter nachgebend, unerbittlich, eben so wie es zu erwarten war. Manfred schaute von dem Tisch, den er gerade bediente auf, als er ein verärgertes Grunzen seitens Alan wahrnahm. Als dieser den Zug betrachtete, der seinen soeben erhobenen Anspruch widersprach und mit angespannten Muskeln entgegenhielt. Es war klar, dass Alan den Stein bekämpfen und abschneiden würde, für ruhige besonnene Reaktionen war die Partie schon zu weit fortgeschritten. Manfred schloss die Augen und wartete. Da kam es. ~KLACK~ Der Kampf ging weiter. |
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